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News > Wenn der Bauch „Hilfe“ ruft – Psychosomatische Beschwerden bei Schulkindern

Pressekonferenz der gespag – OÖ. Gesundheits- und Spitals-AG am 8. September 2009, 10.30 Uhr

Mag. Karl Lehner, MBA, Mitglied des Vorstandes der gespag
Prim. Dr. Michael J. Merl, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie

LINZ. Ein neues Schuljahr bringt für Schulkinder viele Herausforderungen mit sich. Neben neuem Lernstoff werden die Kinder und Jugendlichen durch einen Schulwechsel und/oder neue FreundInnen oft auch mit anderen sozialen Anforderungen als im Vorjahr konfrontiert. Für viele von ihnen bedeutet die Schule deshalb häufig Stress und psychische Belastung. Sie reagieren darauf mit körperlichen Beschwerden wie dem klassischen „Schulbauchweh“, Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit. Eltern stehen diesen psychosomatischen Beschwerden oft ratlos gegenüber. Die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Landes- Frauen- und Kinderklinik (LFKK) – unter neuer Leitung von Primar Dr. Michael J. Merl – begegnet derartigen Symptomatiken mit jahrzehntelanger Erfahrung, Kompetenz und innovativen Therapiekonzepten.

gespag als „Chancengeber“ für Kinder und Jugendliche mit somatoformen Störungen

In Zeiten, in denen traditionelle Werte ins Wanken geraten und familiäre Systeme sich ändern – etwa durch berufliche Doppelbelastung der Eltern oder durch den Trend weg von der Großfamilie – wird auch die ganzheitliche, spezifizierte gesundheitliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen immer wichtiger. Die gespag nimmt sich dieser Herausforderung seit über 25 Jahren an und führt an beiden Linzer Sonderkrankenhäusern (Landes- Frauen- und Kinderklinik sowie Landes- Nervenklinik Wagner-Jauregg) spezielle Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Der Stellenwert und die Notwendigkeit solcher Spezialabteilungen sind nicht mehr anzuzweifeln“, sagt Mag. Karl Lehner, MBA, Mitglied des gespag-Vorstands. „Die steigenden Aufnahme- und ambulanten Betreuungszahlen sprechen ganz klar für sich. Gerade die nicht greifbaren Erkrankungen der Seele weisen einen traurigen Trend nach oben auf“, betont Lehner.

LFKK seit Jahrzehnten richtungweisend in Kinder- und Jugendpsychosomatik

Zahlreiche Untersuchungen im deutschsprachigen Raum verweisen darauf, dass rund 25 Prozent aller (Schul-)Kinder und Jugendlichen Probleme mit ihrer psychischen Befind-lichkeit haben oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Oft manifestieren sich derlei seelische oder soziale Schwierigkeiten körperlich und es entstehen psycho-somatische Erkrankungsbilder wie Essstörungen, Bauch- oder Kopfweh. Neben der Unterstützung durch Eltern und Familie ist in diesen Fällen vor allem rechtzeitig professionelle Hilfe wichtig. „Das ist auch eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Mag. Karl Lehner, MBA, Mitglied des gespag-Vorstandes, „denn auch bei Kindern und Jugendlichen gilt: wenn Beschwerden in ihren Anfängen erkannt und zielgerichtet behandelt werden, wirkt sich dies auf die weitere Gesundheit und damit auf die Befindlichkeit der gesamten Gesellschaft positiv aus – was letztendlich jedem und jeder Einzelnen nutzt.“

Die Landes- Frauen- und Kinderklinik, LFKK, spielt dabei seit Jahrzehnten in Oberösterreich eine tragende Rolle im Fach der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bereits 1984 gegründet, als somatoforme Störungen bei Kindern und Jugendlichen noch tabuisiert oder als Lappalie abgetan wurden, machte sich die Abteilung über die Jahre auch über die Grenzen Oberösterreichs hinweg einen Namen. „Der Vorgänger von Primar Merl, Professor Gerstl, war ein Pionier auf dem Gebiet, er gilt in Fachkreisen und auch bei den kleinen Patientinnen und Patienten und ihren Familien als Institution. Er hat diese Abteilung, die – bedingt durch die Zunahme psychosomatischer Krankheitsbilder im Kinder- und Jugendlichenalter – immer wichtiger wird, mit viel Engagement und Motivation aufgebaut“, sagt Lehner. Das gespag-Vorstandsmitglied ist sich jedoch auch sicher: „Primar Merl, der bereits seit neun Jahren an der Abteilung als Facharzt tätig ist und ihr als Leiter nun vorsteht, wird das mit der gleichen Hingabe machen. Die gespag freut sich, einen so guten Nachfolger für die Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie gefunden zu haben!“

Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie unter neuer Leitung

Bewährtes erhalten und Neues entwickeln, um den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden – das hat sich der neue Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Primar Dr. Michael J. Merl, vorgenommen. Er ist selbst sechsfacher Vater und kennt somit, nicht nur aus beruflicher Sicht, die Belange und Probleme von Kindern. „Da ich ja bereits seit einiger Zeit an der Abteilung tätig bin, weiß ich um die Herausforderungen, die an mich und mein Team gestellt werden“, sagt der neue Primar, der vor allem auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Pflege, Pädagogik und Heilverfahren wie Ergotherapie oder Logopädie intensivieren möchte.

Die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LFKK zeigt derzeit eine kontinuierliche hohe Auslastung, was einmal mehr den hervorragenden Ruf des Hauses und des Fachbereichs insbesondere unterstreicht. „Wir haben jährlich rund 3.500 ambulante Kontakte und rund 600 stationäre junge Patientinnen und Patienten“, sagt Primar Merl. Die logische Konsequenz aus den steigenden Fallzahlen – gerade bezüglich Ess- und anderer somatoformer Störungen – ist die Erweiterung der Abteilung. „In den nächsten Jahren werden wir voraussichtlich zehn tagesklinische Betten dazu bekommen und die Station soll auf 30 Betten aufgestockt werden“, sagt der Mediziner

Bauchweh oft „Hilferuf“ für seelische Probleme bei Schulkindern

Psychosomatische Beschwerden bei Schulkindern sind eines der Hauptaufgabengebiete der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Schule ist neben der familiären Umgebung der zweite große Verpflegungsort für Kinder und Jugendliche. Signifikante Veränderungen im schulischen Bereich wirken sich häufig unmittelbar auf die Persönlichkeit und auch auf die Gesundheit des Nachwuchses aus. Für viele SchülerInnen bedeuten Neuerungen im Schuljahr Stress und psychische Belastung – ganz gleich, ob es um den Übertritt in eine neue Schule/Klasse, neue FreundInnen oder mehr Leistung geht. „Da Kinder und Jugendliche hierfür oft noch keine Sprache finden, reagieren sie mit körperlichen Symptomen“, erklärt Prim. Merl. „Das reicht von Bauchweh, das in der Früh vor der Schule immer schlimmer wird über Gliederschmerzen, Müdigkeit und Angstsymptome bis hin zu Kopfschmerzen, die im Unterricht so intensiv auftreten, dass die Eltern das Kind aus der Schule abholen müssen“, beschreibt der Facharzt für Kinder- und Jugend-neuropsychiatrie die Hilferufe des Kindes auf der körperlichen Ebene.

Rund fünf bis zehn Prozent aller Buben und Mädchen in Österreich leiden unter diesen so genannten somatoformen Störungen, wobei Mädchen mit zunehmendem Alter etwas häufiger betroffen sind. „Das Charakteristische dieser Störungen ist, dass sie – trotz wiederholter Untersuchungen – ohne medizinischen Befund bleiben“, erklärt Prim. Merl. Die körperliche Symptomatik führt jedoch dazu, dass die Kinder von ihren Eltern „gehört“ und mit ihrem Problem wahrgenommen werden.

Risikofaktoren und mögliche Folgen psychosomatischer Beschwerden

Externe Parameter wie ein schlechtes Klassenklima, Mobbing durch MitschülerInnen oder LehrerInnen sind nur ein Teil der Risikofaktoren, die zu psychosomatischen Beschwerden bei Kindern führen können. „Auch unerkannte Lese- und Rechtschreibschwächen, Wahrnehmungs- oder motorische Störungen oder Hyperaktivität beziehungsweise Aufmerksamkeitsdefizite können Auslöser für somatoforme Symptomatiken sein“, sagt der Mediziner und nimmt gleichzeitig die Eltern in die Verantwortung: „Häufig hat das typische Schulbauch- oder Kopfweh seinen Ursprung auch in instabilen oder veränderten Familiensystemen wie etwa nach der Trennung der Eltern oder wenn ein Geschwisterchen dazu kommt – all dies muss bei der Diagnostik berücksichtigt werden“, betont Experte Merl.

Wenn Kinder und Jugendliche in Verbindung mit dem Schulbesuch zunehmend Unwohlsein äußern, rät der Primar zu einer genauen fachmedizinischen Abklärung, um organische Erkrankungen definitiv auszuschließen. „Denn hinter Bauchweh kann genauso gut eine chronische Wurminfektion oder hinter Kopfschmerzen eine Sehstörung stecken“, sagt er. Durch die frühzeitige medizinische Abklärung können zudem Sekundärfolgen, etwa negative Selbstbilder im weiteren Entwicklungszyklus, depressiv-ängstliche oder aggressiv-abwehrende Reaktionen, vermieden werden. Auf althergebrachte Glaubenssätze wie „Alle Kinder gehen zur Schule“ oder „Das hat noch jeder gepackt, da musst du durch“ sollte dagegen unbedingt verzichtet werden, da sie eher zu einer Verstärkung der Symptomatik führen können.

Gezielte therapeutische Unterstützung für Eltern und Kinder als Schlüssel

Meist werden Hintergrund und Bedeutung des schulkind-lichen Schmerzes in einer individuellen Psychotherapie (einzeln und als Familie) offen gelegt. „Die Eltern lernen, die Ängste und Nöte ihrer Kinder zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren“, erklärt Prim. Merl. „Die Kinder und Jugendlichen dagegen werden gefördert, neue Ressourcen zu entwickeln, um kritische Situationen besser meistern zu können.“ Der Experte plädiert vor allem, sowohl in der Familie als auch in der Schule von LehrerInnenseite, für Einfühlungsvermögen, Verständnis und Respekt für die Kinder in ihren Entwicklungsjahren. „Schließlich, so ein afrikanisches Sprichwort, ist der Mensch die Medizin des Menschen“, sagt der neue Primar der Kinder und Jugendpsychiatrie der LFKK.

http://www.kinderklinik-linz.at/presse/
Quelle: gespag – OÖ. Gesundheits- und Spitals-AG


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